Patientenverfügung

VORSORGEN FÜR DEN ERNSTFALL

Eine wichtige Entscheidungshilfe für Angehörige und Ärzte

Die moderne Medizin kann heute Menschen helfen, deren Situation vor Jahren noch hoffnungslos war. Doch der enorme medizinische Fortschritt hat Möglichkeiten eröffnet, die vielen Menschen auch Angst macht. Für viele die schlimmste Vorstellung: Auf einer lntensivstation vielleicht nur noch durch Apparate am Leben erhalten zu werden, ohne Aussicht auf eine Veränderung dieser Situation.

Der enorme medizinische Fortschritt bringt es mit sich, daß Ärzte immer öfter unter Zeitdruck entscheiden müssen, wieviel High-Tech-Medizin sie bei einem Patienten letzten Endes einsetzen. Ärzte sind zwar grundsätzlich verpflichtet, das Leben ihrer Patienten so lange wie möglich zu erhalten. Aber Angehörige und Ärzte stehen oft vor einer schwierigen Entscheidung: Was tun, wenn das Leben des Patienten nur noch erhalten wird, um das Sterben hinauszuzögern?

Behandelnde Ärzte berücksichtigen zwar zunehmend den Patientenwillen. Aber was sollen die behandelnden Ärzte dann im konkreten Fall tatsächlich tun oder unterlassen? Und was, wenn sich der Patient nicht mehr selber äußern kann?

Niemand weiß, wann und wie es ihn selber trifft: Im Alter oder schon in jungen Jahren, durch einen schweren Unfall oder eine unheilbare Krankheit. Ärzte und Angehörige wären in vielen Fallen dankbar, wenn der jeweils betroffene Mensch eine Patientenverfügung getroffen hätte und ihnen eine Entscheidung erleichtern würde.

In den vergangenen Jahren hat das Selbstbestimmungsrecht der Patienten durch Urteile des Bundesgerichtshofs und jetzt durch eine Neufassung der ärztlichen Berufsordnung ein stärkeres Gewicht bekommen.

Eine sogenannte Patientenverfügung bietet Rechtssicherheit, besonders dann, wenn der Patient sich nicht mehr selber artikulieren kann. Oft müssen Entscheidungen unter Zeitdruck gefällt werden: Möchte der Patient, daß ein Wiederbelebungsversuch unternommen wird oder nicht? Liegt eine Patientenverfügung vor, haben Ärzte die Möglichkeit, diese medizinische Maßnahme zu unterlassen, ohne sich dem Vorwurf einer unterlassenen Hilfeleistung auszusetzen.

Natürlich kann eine Patientenverfügung nicht alle Situationen abdecken. Bei einem Unfall oder einem plötzlichen Herzversagen wird eine Patientenverfügung, die eine Wiederbelebung ablehnt, nur schwer ihren Dienst leisten, weil sie wahrscheinlich innerhalb der wenigen zur Verfügung stehenden Zeit nicht in die Hände der behandelnden Ärzte gelangt. Ist jedoch ein Mensch unheilbar an Krebs erkrankt, dann leistet eine Patientenverfügung gute Dienste: Wenn behandelnde Ärzte davon wissen, können sie im Ernstfall eine Wiederbelebung unterlassen.

Ohne Patientenverfügung nimmt eine Entscheidung Zeit in Anspruch. Behandelnde Ärzte müssen dann erst mühsam herausfinden, was dem Patienten, der nur noch von Apparaten am Leben erhalten wird, an medizinischer Behandlung zuzumuten ist und was nicht. Da werden Angehörige befragt, um zu erkunden, wie der mutmaßliche Wille des Patienten aussehen könnte. Sicherheitshalber versuchen Ärzte herauszufinden, welches Verhältnis zwischen dem betreffenden Patienten und den Angehörigen bestand, ob womöglich wegen einer Erbschaft ein schnelleres Ableben im Interesse der Angehörigen sein könnte oder dergleichen.

Zwar gibt es für eine Patientenverfügung keine vorgeschriebene Form und keinen festgelegten Inhalt. Aber damit Ihre Patientenverfügung im Ernstfall auch wirklich ihren Zweck erfüllt, beachten Sie bitte den folgenden Text.

Sie können Ihre Patientenverfügung handschriftlich aufsetzen, was Ärztekammern empfehlen, oder aber auch vorbereitete Verfügungen, zum Beispiel des Deutschen Roten Kreuzes, verwenden. Lassen Sie Ihre Patientenverfügung möglichst von zwei Zeugen unterschreiben oder Ihre Unterschrift von einem Notar oder beim Ortsgericht beglaubigen.

Lassen Sie sich beraten, was es tatsächlich bedeutet, wenn Sie auf Intensivtherapie oder Wiederbelebung beim Vorliegen einer bestimmten medizinischen Situation verzichten. Wenden Sie sich mit diesen Fragen also an Ihren Arzt oder an die Ärztekammer.

Wichtig ist der Zeitpunkt, zu dem eine Patientenverfügung aufgesetzt wurde: Sie verpflichtet um so mehr, je geringer der zeitliche Abstand bis zum Eintritt der Situation, in der die Patientenverfügung greifen und ihren eigentlichen Zweck erfüllen soll. Das heißt, Patienten, die aufgrund ihrer Krankheit wissen, was auf sie möglicherweise zukommen kann, und in diesem Bewußtsein eine Patientenverfügung treffen, können ziemlich sicher sein, daß ihre Verfügung respektiert wird. Die zeitliche Nähe gibt den Ärzten eine große Rechtssicherheit.

Wer jedoch vorsorgen will für den Fall, daß er eine solche Verfügung aus einer akuten Situation heraus möglicherweise nicht mehr treffen kann, sollte seine Patientenverfügung regelmäßig aktualisieren. Die Erfahrung der Ärzte hat nämlich gezeigt, daß solche Willensäußerungen, die in gesunden Tagen oder in jungen Jahren getroffen wurden, sich in der konkreten Situation ändern können und die Hoffnung auch in ausweglos erscheinenden Lagen oft wächst.

Bestätigen Sie möglichst jedes Jahr oder alle zwei Jahre mit Datum und Unterschrift nebst Zeugen ihre einmal vor Jahren getroffene Patientenverfügung. So geben Sie Ihren Angehörigen oder Ärzten eine größere Sicherheit, was tatsächlich oder mutmaßlich Ihr Wille ist, wenn Sie sich nicht mehr selber artikulieren können.

Aber eine Patientenverfügung erfüllt letzten Endes nicht ihren Zweck, wenn niemand davon weiß oder wenn die Verfügung in der entscheidenden Situation nicht in die Hände der behandelnden Ärzte gelangt.

Sorgen Sie dafür, daß möglichst in Ihrem unmittelbaren Lebensumkreis bekannt ist, daß Sie eine Patientenverfügung verfaßt haben und wo diese aufbewahrt wird. Bewahren Sie Ihre Patientenverfügung nicht zusammen mit Ihrem Testament auf, weil ein Testament erst nach Ihrem Tod geöffnet wird.

Wenn Sie sicher gehen wollen, daß im Bedarfsfall jederzeit Ihre Patientenverfügung abgerufen werden kann und den behandelnden Ärzten bekannt wird, daß eine solche Verfügung überhaupt existiert, dann können Sie zum Beispiel Ihre Patientenverfügung im Zentralarchiv des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hinterlegen oder bei der Zentrale für Patientenschutz der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben. Bei beiden Organisationen erhalten Sie formularähnliche Mustererklärungen eine Patientenverfügung, d.h. der Inhalt ist schon vorformuliert. Sie können jedoch bestimmte Dinge ankreuzen oder Textpassagen streichen oder einsetzen.

Wenn Sie lieber eine handschriftliche Patientenverfügung ganz nach Ihren individuellen Bedürfnissen aufsetzen möchten, wozu Ärzte raten, dann bietet Ihnen die Hamburger Ärztekammer eine Formulierungshilfe an.

Die Vorsorge in Form einer Patientenverfügung kann dazu beitragen, daß Menschen ein unerträgliches oder sinnloses Leiden erspart bleibt. Arzt und Angehörigen wird die quälende Unsicherheit genommen, falls sie in schwierigen Situationen eine Entscheidung treffen müssen.

Letztendlich kann nur der Betroffene selbst entscheiden, wie lange und in welchem Umfang er gewillt ist, Schmerzen oder die psychische Belastung zu ertragen, wenn erkennbar wird, daß eine Behandlung sinnlos geworden ist. Nur er kann wirklich entscheiden, ob eine solche Behandlung abgebrochen werden soll oder nicht. Kann ein Patient seine Lage nicht mehr selber übersehen, dann bietet auf jeden Fall eine Patientenverfügung Rechtssicherheit, auch wenn sie nicht alle Situationen ganz sicher abdecken kann.

Brigitte Weining, WISO-Redaktion

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